Ein Blick hinter die Kulissen – die wahren Kosten eines Tattoos und was alles dahinter steckt:

Das ist mir zu teuer!“ „ Was so viel??“ „40 € mehr zahle ich nicht!“

Solche Sätze hat mit Sicherheit jeder Tattoo Künstler im Laufe seiner Karriere schon mal zu hören bekommen. Da kann man nur den Kopf schütteln. Für mich als Tattoo-Artist sind solche Aussagen vergleichbar mit dem Satz „kriegen wir das nicht in einer Sitzung fertig?“ und ich frage mich: Ist denn gar nichts mehr wert heutzutage? Von was sollen die Artists denn leben? Natürlich gibt es auch diese VIP Artist die zwischen 500 und 1000 € pro Stunde verlangen, doch Diese haben sich eben ihren Namen auch verdient. Eine Wertstellung vergleichbar mit Markenklamotten, Bei denen die Konsumenten nicht nur das Produkt, sondern auch den Marken Namen bezahlen.  Da scheuen sich die meisten auch nicht davor. Viele Menschen denken  Tätowierer hätten einen überzogenen Stundensatz, vergessen aber – beziehungsweise wissen gar nicht, wie dieser sich Zusammen setzt. Im Vergleich mit anderen Handwerken ist das nämlich gar nicht mehr so viel.

 

When your client asks if you can do it cheaper

Daher ist es höchste Zeit für ein bisschen Aufklärung.

Tattoos sind nicht nur Kunst auf der Haut, sondern auch eine Investition in die persönliche Identität. Ein Ausdruck von Freiheit. Ein Stück Individualität. Doch hinter jedem meisterhaft gestochenen Tattoo verbirgt sich eine komplexe Welt von Kosten, die oft von Außenstehenden übersehen werden. Im Jahr 2024 sollten wir gemeinsam einen Blick hinter die Kulissen werfen und die verschiedenen Aspekte beleuchten, die in die Preisgestaltung eines Tattoos einfließen.

 

1. Studio- oder Raummiete:

Jeder  Tattoo-Artist benötigt einen Raum, in dem er als Künstler arbeiten kann. Die Mietkosten variieren je nach Standort und Größe des Studios erheblich und müssen in die Preisgestaltung einbezogen werden. Dazu gehören natürlich auch Nebenkosten für Wasser, Strom und Heizung, sowie die Instandhaltung. Schließlich unterliegt ein Tattoostudio denselben hygienischen Richtlinien wie Fußpflegesalons. Hygiene und Sauberkeit steht daher an erster  Stelle.

 

2. Abgaben und Steuern:

Wie bei jedem anderen Geschäft müssen auch Tattoo-Studios Steuern und Abgaben leisten. Wer kein eigenes Studio besitzt zahlt oft sogenannte „Stuhlmiete“ oder gibt einen festen Prozentualen Anteil seiner Einnahmen an den Studio-Inhaber ab. Da gibt es die verschiedensten Modelle, aber geschenkt bekommt man da im Normalfall nichts.

 

3. Materialkosten:

Ohne diese geht gar nichts! Von Nadelmodulen, über Farben, bis hin zu Desinfektionsmitteln, Spatel, Folien und anderen Einwegmaterialien – die Liste der benötigten Materialien ist lang und kann einen beträchtlichen Anteil der Gesamtkosten ausmachen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die benötigten Materialien überwiegend aus Einwegmaterial bestehen. Sprich, diese werden pro Kunde und Sitzung immer wieder aufs Neue benötigt. Im Schnitt sprechen wir hier von etwa 20 verschiedenen Materialien und Tools, welche pro Sitzung verwendet werden. Diese Materialien wiederum produzieren dementsprechend Müll(kosten) – klar, keine schöne Sache für die Umwelt, dafür ist aber die Hygiene gesichert und da halten wir uns gern an eine Einstellung wie im OP-Saal.

 

4. Zeitfaktoren:

Auch interessant zu wissen: Beim  Tätowieren wird die Farbe nicht sofort auf die Haut übertragen, wie es beim Zeichnen auf Papier der Fall ist. Sobald die Miene eines Bleistiftes da Blatt berührt, gibt diese Graphit ab und ein sichtbarer Strich entsteht. Beim Tätowieren ist das anders. Hier  wird die Farbe zuerst über die Nadel aus der Farbkappe in die Cartridge aufgenommen und anschließend Stich für Stich die Haut  eingearbeitet. Zuerst durchdringt die Nadel die Hautschicht und erst beim verlassen der Dermis, gelangt das Pigment an Ort und Stelle.  Deshalb kann man nicht beliebig schnell über die Haut fahren. Je nach Linienstärke, Motiv  und Technik wird hier ganz gezielt langsam und sorgfältig gearbeitet, was zusätzliche Zeit und Präzision erfordert.

Beim Piercen beschwert sich doch auch keiner, dass die eigentliche Behandlung etwa 15 Minuten dauert. Danach legt man zwischen 80 und 120 € auf den Tisch und verlässt mit  neuem Bling-Bling Schmuck am Körper das Studio. Aber auch hier arbeiten die Piercer nicht mit Masse, sondern mit Fachwissen, Präzision, Qualität & Einwegmaterial….       das hat einfach seinen Preis.

 

5. Zeichnungsanfertigung:

Ein gutes Tattoo beginnt mit einer individuellen Zeichnung. Die Zeit und Mühe, die in die Erstellung des Designs fließen, müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Dieser Prozess beginnt bereits mit einem Beratungsgespräch, welches in der Regel nur mit einer kleinen Pauschale berechnet wird oder sogar komplett kostenfrei ist. Je nach Umfang sitzt man hier aber schnell mal eine Stunde zusammen – Arbeitszeit.

die eigentliche Zeichnung Anfertigung beginnt erst danach. Auch hier kommt es ganz darauf an, wie groß das Tattoo werden soll. Aber auch wie detailliert. Oder wie individuell. An größeren Projekten und Ausarbeitungen sitzen Künstler daher mehrere Stunden dran. Vor allem dann, wenn sie auf die Wünsche der Kunden eingehen, eigenständig oder Freihand zeichnen und nicht nur wahllos, irgendwelche Bilder aus Pinterest zusammen klatschen. Wer wirklich ein individuelles Tattoo, mit persönlicher Anpassung wünscht, muss mit einkalkulieren, dass abgesehen von der Umsetzung das ganze Motiv auch erst mal gezeichnet werden muss. & das sind weitere Arbeitsstunden.

 

6. Schulungen und Weiterbildung:

als sechsten und letzten Punkt kann man noch auf die Schulungen und Weiterbildungen hinweisen. Um auf dem neuesten Stand zu bleiben und ihren Kunden erstklassige Arbeit zu bieten, investieren Tattoo-Künstler oft kontinuierlich in Schulungen und Weiterbildungen. Dazu gehören zum Beispiel auch Hygieneschulungen, Messen oder online Kurse.

You get what you pay for

 

Es ist bedauerlich, dass einige Menschen glauben, dass die Kosten für ein Tattoo lediglich die Umsetzung , also die reine „Stichzeit“ umfassen sollten. Dabei ist diese nur ein Bruchteil der ganzen Arbeit. Und ohne die anderen Schritte, ohne Beratung, Motivanfertigung, ohne Materialien oder  Stencil placement ( was ebenfalls zwischen einer halben Stunde / Stunde Zeit beansprucht) Kann dieses Tattoo gar nicht erst umgesetzt werden.

Viele Leute reisen auch gern in andere Länder, um sich dort vermeintlich günstige Urlaubstattoos stechen zu lassen. Diese  erwarten dann, dasselbe Preisniveau in Deutschland vorzufinden. Das stellt sich mir die Frage, was wichtiger ist, günstige Tattoos auf Masse oder in individuelle Anfertigung auf Qualität? Die Praxis solcher Urlaubstattoos vernachlässigt die wahren Kosten und viel schlimmer den Wert der Arbeit.

Wenn Menschen nur maximal 50 € für ein Tattoo ausgeben wollen, werden in den meisten Fällen grad mal die  Materialkosten gedeckt. Die Künstler machen das aber nicht zum Spaß, sondern verdienen ihren Lebensunterhalt damit. Stell dir vor, du müsstest dann damit auskommen, all die Kosten decken plus deine privaten Fixkosten damit bezahlen, ist das machbar? Es ist doch ähnlich wie im Handwerk. Man bezahlt nicht nur die Arbeitszeit und das damit verbundene Fachwissen, sondern eben auch die benötigten Materialien, bei Handwerkern meistens sogar noch die Angebotserstellung, sowie die Anfahrt. Und das zurecht. Nachher hat man doch etwas, worauf man stolz sein und sich freuen kann. Bei Tattoos hat man es sogar ein Leben lang. Ist der Preis dann tatsächlich noch so hoch?

Vergleichen wir das doch mal mit Zigaretten. Wer sich jede Woche eine kleine Schachtel kauft, gibt im Jahr etwas über 300 € aus – je nach Marke. Bei zwei Schachteln die Woche sind es schon über 600 € im Jahr. Was hat man dann, außer wahrscheinlich seiner Gesundheit geschadet? Ich persönlich finde nicht viel. Aber das kann ja jeder machen, wie er möchte. Es sollte nur als ein rechnerisches Beispiel dienen. Für einen ähnlichen Preis bekommt man nämlich auch ein individuelles Kunstwerk gestochen, welches deutlich länger hält als ein Jahr, welches der Gesundheit keinen Abbruch tut und darüber hinaus auch noch das Selbstwertgefühl steigern kann.

Beim Betrachten der Preise für Tattoos im Jahr 2024 sollten wir daher nicht nur das Kunstwerk auf der Haut sehen, sondern auch die vielfältigen Kosten, die damit verbunden sind. Sowie die Künstler, die dahinter stehen und nicht nur alles geben, sondern auch ihren Lebensunterhalt damit verdienen möchten. Indem wir die Arbeitszeit und Mühe der Künstler würdigen und respektieren, tragen wir dazu bei, dass die Tattoo-Kunst weiterhin florieren kann.